Recht oder Menschlichkeit?

Ein typischer Freitagnachmittag

Die Versorgung von Patienten mit starken Schmerzmitteln (Betäubungsmitteln) kann schwierig sein. Eine wahre Geschichte:

Ein Freitag Spätnachmittag wie fast jeder andere: Die meisten Arztpraxen sind bereits geschlossen, die meisten Rezepte eingelöst. Aber nicht alle. Ein spezieller Fall von akutem Bedarf an Arzneimitteln taucht meist erst genau zu diesem Zeitpunkt in der Apotheke auf: Ein Patient, der gerade noch vor dem Wochenende aus dem Krankenhaus entlassen worden ist, braucht dringend seine Arzneimittel.

In genau dieser Situation befand sich neulich die Ehefrau eines schwerkranken Patienten. Sie betrat mit einem speziellen Rezept, einem sogenannten Betäubungsmittel-Rezept (BTM-Rezept), am späten Freitagnachmittag unsere Apotheke. Ein solches Rezept ist vorgeschrieben, damit der Patient ein sehr starkes Schmerzmittel bekommen kann. Es wurde in einem Krankenhaus etwa 45 min Autofahrt entfernt ausgestellt. Das Problem war nun, dass das Rezept nicht ordnungsgemäß ausgestellt war. Es fehlten insbesondere der Name und Stempel des Arztes sowie seine Unterschrift. Damit lag eine ungültige Verordnung vor, die Abgabe des angegebenen Arzneimittels durch uns an den Patienten hätte eine Straftat (!) dargestellt.

BTM-Rezepte besitzen eine spezielle Form mit mehreren Durchschlägen. Sie müssen zur Dokumentation aufgehoben werden. Der verschreibende Arzt war nicht mehr erreichbar. Es war zudem nicht genau bekannt, welcher Arzt das Rezept überhaupt ausgestellt hatte. Eine Aushändigung des Arzneimittels hätte also einen schriftlich dokumentierten Verstoß gegen geltendes Recht bedeutet und wäre bei der nächsten Apothekenkontrolle sofort aufgefallen. So etwas bleibt nicht ungeahndet, kann sogar berufsrechtliche Konsequenzen haben und die weitere Tätigkeit als Apotheker/Apothekerin gefährden. Darüber hinaus drohen Bußgelder, außerdem bezahlt die Krankenkasse das Medikament nicht.

Unmenschlich?

Ein Handeln im Sinne des Patienten war also in der gegebenen Situation nicht möglich, weil verboten. Letztlich trennte den wartenden, von Schmerzen gequälten Ehemann im Auto nicht mehr als 10 m Luftlinie und ein Formfehler von seinem dringend benötigten Schmerzmittel im Tresor bei uns in der Apotheke. Verständlich, dass alle beteiligten, allen voran die Ehefrau, verärgert waren. Tatsächlich hatte aber schon lange vorher der schlampig verordnende Arzt dafür gesorgt, dass dem Patienten das Schmerzmittel verwehrt bleiben würde. Wir in der Apotheke mussten uns aber von der Ehefrau unter Tränen formulierte bitterböse Vorwürfe der Unmenschlichkeit anhören. Zu verstehen war Ihre Verzweiflung allemal und Verständnis für bürokratische Formalismen kaum zu verlangen.

Zum Glück erklärte sich dann ein ortsansässiger Arzt zu einem spontanen Hausbesuch bereit. Er war eigentlich schon längst im Feierabend aber per Handy noch erreichbar. Der Patient konnte also doch noch schnell und adäquat versorgt, der Arzt wusste ein BTM-Rezepte korrekt ausstellen. Ein Glück – der kassenärztliche Notdienst wäre 20 km entfernt gewesen.

Was sind die Lehren?

Die Verantwortung des Arztes beschränkt sich nicht nur auf die korrekte Diagnose und Therapiefestlegung – sie umfasst auch die formal korrekte Ausstellung einer Arzneimittelverordnung. Auch wenn Formalismus dieser Art nicht zur Lieblingstätigkeit gehören muss, sollte jeder Arzt sich darüber im Klaren sein, dass er die adäquate Versorgung mit dringenden Arzneimitteln durch Schlampigkeit bei der Ausstellung von Rezepten schnell gefährden kann. Ein Anruf in der Apotheke des Vertrauens vorab kann da ein wirksames Mittel sein, um dem vorzubeugen.

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